Vom Seelenfutter und Herzenswärmer – ein Ermutigungsmärchen

… oder die Bedeutung von ermutigender Verbundenheit mit dir und anderen.

Es war einmal ein kleines Spatzenmädchen, die hatte Vater, Mutter und zwei Spatzen-Geschwister. Die kleine Spatzenfamilie wohnte in einem geräumigen, weich ausgepolsterten Nest, das geschützt und ruhig in einem alten, mächtigen Korkenzieherhaselnussbaum gebaut worden war. Es ging der kleinen Spatzenfamilie gut. Das war wohl nicht immer so gewesen, aber das wussten die Spatzenkinder nicht mehr so genau. Lediglich die Eltern waren immer sehr besorgt um die Sicherheit ihrer Kinder und um das tägliche Futter. Das war ihnen sehr wichtig und ließ sie oft recht nachdenklich und angespannt besorgt sein.

Und doch stand jetzt alles zum Besten; die Kinder entwickelten sich prächtig und die Eltern waren wohl zu Recht stolz auf ihren gut gelungenen Nachwuchs und ihr Leben dort in ihrem Heim in dem Korkenzieherhaselnussbaum. Die Mutter fand besonderen Gefallen an ihrem Sohn, einem aufgeweckten Kerlchen und wahrhaftigen Nestbaumeister. Der Vater wiederum war besonders angetan von einer seiner Töchter, die ein gr0ßes Talent im Fliegen hatte und ihn mit ihren schwarzen Knopfaugen immer so kess anschaute. Ihr drittes Kind, ein kleines, ernsthaftes Spatzenmädchen, zart und verträumt, hatte keine besonders wertvollen Talente; sie konnte jedoch wunderschön singen und herzlich berührende Geschichten erzählen. Das war beides wohl nicht sehr praktisch, befanden die Eltern, sondern eher lästig, weil es sie von ihrer täglichen Arbeit abhielt. Ihnen ging es im täglichen Überleben vor allem darum, das Futter für alle herbeizuschaffen. Diese Aufgabe übernahmen der Vater und die tollkühne Tochter, die ja sehr schnell, umsichtig und bravourös fliegen konnten. Der Sohn seinerseits unterstützte seine Mutter tatkräftig beim Nestausbau und der Instandhaltung, schaffte unermüdlich Nistmaterial heran, vergrößerte und verbesserte die gemeinschaftliche, gemütliche Wohnstatt der Familie.

Die ernsthafte, verträumte Spatzentochter wurde dagegen immer stiller. Bald sang und erzählte sie nicht mehr, denn keiner aus ihrer Familie hatte Interesse oder nahm sich die Zeit, ihr zuzuhören. Mit den anderen Familienmitgliedern konnte sie weder beim Fliegen auf der Futtersuche, noch beim Ausbau des Nestes mithalten. Ihre Augen blickten immer trauriger und sie zog sich in sich zurück. Sie wurde einfach nicht gesehen und es fiel auch niemandem auf, denn die anderen waren vielmehr mit sich selbst beschäftigt. Die Geschichten, die sie so gern und leidenschaftlich mit funkelnden Augen erzählt hatte, waren gewiss ganz schön, meinten Eltern und Geschwister, ABER sie machten eben nicht satt und gaben ein gemeinsames, schützendes Zuhause, wie Futter und Nest es taten und waren somit wertlos. So verlor das kleine Spatzenmädchen nach und nach ihre Lebensfreude und ihren LebensMut. Sie fühlte sich nicht mehr verbunden mit ihrer Familie und dazugehörig, nicht wichtig, nicht wertvoll, nicht geliebt, nicht gesehen, nicht gut genug. Fast wäre sie daran zugrunde gegangen.

Eines Tages jedoch geschah etwas Wunderbares: im Nachbarbaum, einer alten Eibe, zog eine andere Spatzenfamilie ein. Dem Gezwitscher nach kamen sie von weit aus dem Süden des Kontinents. Die Sonne brannte dort täglich lange und heiß vom Himmel und es war sehr, sehr trocken. Die Spatzeneltern hatten daher beschlossen, mit ihren beiden Kindern umzuziehen. Ihre Kinder sollten zusammen mit ihnen überleben, immer genug Futter und Wasser haben und zu großartigen Vogel-Sängern werden, wie es schon lange Tradition der Familie war. Das war ihr ZIEL.

Jeden Tag waren nun die wunderherrlichsten Gezwitscherlieder aus der Nachbarschaft zu hören. ALLE lauschten herzlich berührt und voller Begeisterung den fremdklingenden, bezaubernden Melodien. Auch die stille, ernsthafte Spatzentochter wurde magisch davon angezogen und fiel nach einer Weile wie von selbst in den Gesang mit ein. Es entwickelte sich ein fröhlicher, harmonischer Chorgesang – die unterschiedlichen Stimmen ergänzten sich, als hätten sie nie etwas anderes getan, als gemeinsam wie in einem virtuosen Konzertstück zu singen. Sie verbrachte viel Zeit mit der Nachbarfamilie. Dort fühlte sie sich wohl und mit ihrer ruhigen Art willkommen, liebevoll verbunden und anerkannt. Sie war gern gesehen und wurde auch schnell zu einer begehrten Gesangspartnerin. Abends saß man gern beieinander, eng aneinandergeschmiegt und erzählte sich berührende und spannende Geschichten aus anderen Zeiten. Bald gesellten sich auch ihre Geschwister dazu, um einander kennenzulernen und Erfahrungen auszutauschen. Die Atmosphäre war herzlich zugewandt, freundlich und man fühlte sich wohl. Auch die Spatzeneltern trauten sich nach einer Weile und kamen hin und wieder von dem Korkenzieherhaselnuss herüber zur alten Eibe. Sie konnten gar nicht recht glauben, dass diese wunderschöne, stolze und herzenswarme Spatzensängerin ihre einst stille, zurückhaltende Tochter gewesen sein sollte.

Voller Stolz betrachteten sie sie. Schließlich fanden sie die Worte, ihr zu sagen, wie schön und liebenswert sie sei, wie herrlich sie singen könne, wie wundervoll ihre Geschichten klängen. „Wir wünschten, wir hätten schon viel früher erkannt, dass deine wunderschönen Lieder wie Seelenfutter unsere Seele nähren und so gut tun. Und dass die berührenden Geschichten uns mit anderen Zeiten, Ländern und mit unseren Familien verbinden. Sie geben uns lehrreiche Erfahrungen, Sicherheit und Herzenswärme, wie unser Zuhause.

Ja, ganz genau! Du bist du. Du trägst auf deine Art dazu bei, dass es anderen gut geht. Jeder von uns macht mit seiner Art zu sein den Unterschied aus. Du bist du und so wie du bist, bist du gut genug. So schön, dass es dich gibt.

Veröffentlicht am 19.06.2024 von Ermutigende Wegbegleiterin